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Niereninsuffizienzstadien
Clearance ml/min | Stadium der Niereninsuffizienz (NI) |
---|---|
≥ 90 | Normale GFR |
60-89 | Milde NI |
30-59 | Moderate NI |
15-29 | Schwere NI |
Kleiner als 15 | Nierenversagen |
Prämedikation
Berechnen der Kreatinin-Clearance
Cave: Kreatinin sollte im steady-state sein
Oder mittels Cockroft-Gault-Schätzung:
Clearance= [ (150 – Alter) x (Ideal) Gewicht ] / Serum-Kreatinin (in micromol/l)
Bei dialysepflichtigen Patienten
- Welche Dialyseart (Hämodialyse, CAPD)? Wann letztmals? Zyklus?
- Worüber wird dialysiert? Shuntarm (kennzeichnen/notieren!), Shaldon, Permcath, Tenckhoff-Kath.
- Welche Kalium-Werte im „steadystate“? akt. Kalium?
- Erlaubte Trinkmenge pro Tag (= Resturin + 500ml)?
Bei Peritonealdialyse (CAPD) zusätzlich
Peritonealdialyse erfolgt meist 4x/d; Dauer ca. 30-45Min; Infundiertes Volumen 2-2,5L
- Pat. muss vor jeglicher Operation das Dialysat ablassen
- Bei nicht-abdominellen Eingriffen kann bei guter Atemfunktion rasch postoperativ wieder mit der CAPD begonnen werden
- Bei abdominellen Eingriffen bedarf es einer Überbrückung mittels Hämodialyse für mehrere Wochen –> intraoperative Einlage eines Shaldon-Kath. diskutieren
Prämedikation mit Benzodiazepinen sehr restriktiv handhaben:
Dormicum®: aktive Metaboliten mit verlängerter HWZ
Monitoring und Leitungen
- EKG, Pulsoxymerie und NiBP am NICHT-Shunt Arm
- periph. Leitungen am NICHT-Shunt Arm; falls art. Kath. notwendig –> wach am NICHT-Shunt Arm und aBGA (Kontrolle Ausmass der met. Azidose und resp. Kompensation)
- ZVK wenn möglich vermeiden:
- V. Subclavia “verboten” bei hoher sekundärer Stenoserate und darausfolgender Unmöglichkeit der ev. Dialyseplanung über einen Shunt an diesem Arm.
- V. jug. int. re. möglichst schonen falls im Verlauf ein Shaldon/PermCath notwendig ist zur Überbrückung bei einer Shunt-Dysfunktion.
- Diskussion PDA:
- optimale Analgesie ohne Akkumulationsgefahr;
- Cave Thrombozytopathie
- Management des PDK-Ziehens im Intervall zwischen den Dialysen (Pat. wird dazu vollheparinisiert!) –> erhöhte Gefahr eines epidurales Hämatom
- Periphere Nervenkatheter mit weitaus geringeren Komplikationen (s.u.)
- Cave gute Lagerung Shunt-Arm; regelm. Kontrolle des „Schwirrens“
Narkoseführung
Periphere Regionalanästhesien bevorzugen
Beachte: Thrombozytopathie, Vollheparinisierung zur Hämodialyse, Akkumulation von Niedermolekularen Heparinen, periphere Neuropathie
Falls Allgemeinanästhesie notwendig
Besonderheiten
- Autonome Neuropathie (durch erhöhte AT-II-Spiegel – Besserung unter ACE-Hemmer):
- Sympathikus-Überaktivität,Hypertension trotz ev. intravasaler Hypovolämie;
- Parasympathische Dysfunktion, geringes Ansprechen auf Atropin.
- Gastroparese bei 69% der Dialysepatienten. Korreliert gut mit periph. Neuropathie.
- Linksventrikuläre Hypertrophie durch chron. Volumen und Druckbelastung
- diastolische Dysfunktion, Arrhythmieneigung.
- Hyperhydratation führt rasch zum Lungenödem
- Chron. Anämie (Cave gehäuft Antikörper bei erhöhtem Transfusionsbedarf)
- Haemostase
- urämisch bedingte Thrombozytopathie
- jedoch gesamthaft hyperkoagulabel
- metabolische Azidose meist resp. kompensiert
- Hyperkaliämie.
- Regelm. aBGA-Kontrollen bei grösseren Eingriffen
- Cave Zunahme der Azidoe verstärkt die Hyperkaliämie
- sek. Hyperparathyroidismus, Vit. D Mangel
Medikamente
- Fentanyl: nur 7% direkt durch Niere ausgeschieden; keine aktiven Metabolite.
- Remifentanil problemlos
- Propofol (Disoprivan®): Pharmakokinetik nicht von NI beeinträchtigt. Induktionsbolus sogar höher bei NI; steadystate Konzentration gleich; früheres Erwachen.
- Thiopental: reduzierte Plasmaproteinbindung, Dosis verringern
- Desfluran, Isofluran und Sevofluran (Diskussion wegen Compound A – durch Reaktion mit CO2-Absorber – im klinischen Alltag nichtig) problemlos
- Rocuronium (Esmeron®): gleiche Anschlagszeit; verzögerte Erholung: bei 0,6mg/kg TOF 70% nach ca. 90min vs 60min beim Nierengesunden
- Succinylcholin: transienter Kalium-Anstieg um 0,5-1mmol/l!
- Atracurium (Tracrium®): Pharmakokinetik nicht von NI beeinträchtigt.
- Sugammadex (Bridion®): Cave nicht zugelassen bei NI! Bridion® hat keine nephrotoxische Wkg. HWZ bei NI von 2,5h auf 66h verlängert!
Flüssigkeitsmanagement
- Kein NaCl 0,9% (Na+154mmol/l; Cl-154mmol/l)
- Natrium-Exkretion massiv reduziert
- führt rasch zu einer hyperchlorämen Azidose mit Verschlechterung der vorbestellenden Azidose.
- Folge: Reduktion der Inotropie
- Ringerfundin (Na+154mmol/l; Cl-127mmol/l)
- Besser als NaCl 0,9%
- Allgemein: minimale notwendige Menge infundieren; wenn möglich nur «Tagesration» des Pat.
Postoperative Überwachung
Schmerzmanagement
- Paracetamol: keine verlängerte HWZ bei NI; durch Dialyse teilweise eliminiert
- Metamizol (Novalgin®): gering verlängerte HWZ bei NI; sehr selten interstitielle Nephritis mit akuter (innert Tagen) Verschlechterung der NI
- Keine NSAR: Verschlechterung der «Restfunktion» der Niere. Prostaglandin-Inhibition mit Senkung der Nierenperfusion: Oedeme, Hypertonie. Häufig interstitielle Nephritis vom verzögerten Typ (n. 3 Monaten)
- Fentanyl PCA: kaum aktive Metaboliten; keine Akkumulation bei NI; wird kaum durch Hämodialyse ausgewaschen.
- Keine Morphin-PCA: aktive Metaboliten mit massiver Akkumulation bei NI (HWZ bis 72h)! Wird durch Hämodialyse ausgewaschen.
- Oxycodon (Oxycontin®/Oxynorm®): aktive Metaboliten mit geringer Akkumulation (HWZ ist nur um 1h verlängert). Dosis halbieren; Applikationsintervall verlängern.
Kontrollen im AWR nach grösseren Eingriffen und Allgemeinanästhesie:
- Kontrolle Elektrolyte, pH
- Kontrolle Atemaktivität: kann Pat. metab. Azidose kompensieren (Pat. ist auf leichte Hyperventilation angewiesen zur Korrektur seiner metab. Azidose!)? Opiatüberhang und Restrelaxation vermeiden! Beginnendes Lungenoedem bei Flüssigkeitsbedarf/-Gabe?
- Absprache wann nächste Dialyse – Ev. früher bei nicht kontrollierbarer Hyperkaliämie, Hypervolämie, Azidose. Cave Heparingabe zur Dialyse notwendig – Nachblutungsgefahr! Falls Pat. hämodynamisch instabil: Hämofiltration auf Intensivstation (ohne Heparingabe – Zitrat-Hämofiltration)
Problem der Hyperkaliämie
- Arrhythmiegefahr bei Dialysepatienten meist erst bei 6-6,5mmol/l
- Verstärkt durch: Azidose (Cave: ausreichend ventilieren, allenfalls Gabe von NaBic), Betablockade, NSAR, Heparin!
Massnahmen bei Hyperkaliämie
Massnahmen | Wirkeintritt | Wirkdauer |
---|---|---|
10ml Calcium-Gluconat 10% = 1 Amp. langsam i.v. | sofort | 30 Minuten (nur Rhythmus-stabilisierung) |
Ventolin-Inhalation 40Trpf. (2ml/10mg) od. 250μg langsam i.v. | 5 Min. | 2-4 Std. |
200ml Glc 20% mit 20IE Actrapid über 20 Min. iv | 30 Min. | 4-6 Std. |
Resonium 30g in 150-250ml Wasser/Glc 10% als Einlauf od. 15g in 20ml Wasser + Sirup po 3-4x/d | 1 Std. | 4-6 Std. |
Hämodialyse | sofort | 2 Tage |
Literaturangaben
Craig R.G., BJA 2008; Recent developments in the perioperative management of adult patients with chronic kidney disease; 101(3):296-310
Palevsky P.M., Best Pract Res Clin Anaesthesiol 2004; Perioperative management of patients with chronic kidney disease or ESRD; 18(1):129-144